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Teil 1: Der "sure Born" Teil 2: Kurbad Roisdorf Teil 3: "Roisdorfer natürlich!" Der Entdecker des Mineralbrunnens Stimmen aus dem 19. Jahrhundert Die Mineralwasser-Revolte von 1844

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Die Mineralwasser-Revolte von 1844

Wem gehört der Roisdorfer Brunnen?

Mineralbrunnen um 1840

Am 24. Juni 1844 richtete der Roisdorfer Ortsvorsteher Heinrich Tönnessen folgendes, in erregtem Ton verfasstes Schreiben an den Alfterer Gemeinderat Christian Rech in Olsdorf:

In kurzen Worten teile ich Ihnen dieses mit, dass wir heute Mittag unsere Rechte am Brunnen beibehalten wollen. Gestern haben wir mit (Brunnenverwalter) Hons über das Eigentum gesprochen, er wollte sich aber nicht darüber einlassen. Wollen sie Ihr Recht auch beibehalten, so sprechen Sie mit ihrer Gemeinde mit vernünftigen Männern und kommen diesen Mittag zwischen 11 und 12 Uhr hierher. Hons hat schon die Polizei bestellt, tut aber nichts, wir holen 12 Uhr an der Quelle Wasser!

Noch bemerke ich Ihnen, über dieses Schreiben kam Hons zu mir und sagt, ich sollte alles sein lassen, ich sollte mit ihm gehen, er wollte einige Flaschen Schabangel zum besten geben, ich gab ihm zur Antwort, ich bleibe bei meinem Wort!

Aufruhr und Revolte im friedlichen Roisdorf? Was war geschehen?

Cöln-Bonner-Eisenbahn bei Brühl, 1844

Der damalige Pächter des Roisdorfer Mineralbrunnens, Gerhard Freiherr von Carnap, hatte große Anstrengungen unternommen, Roisdorf zu einem Kurort auszubauen. Prächtige neue Kuranlagen waren entstanden, seit einem Jahr hielt sogar die hochmoderne Bonn-Cölner-Eisenbahn eigens in Roisdorf, um erholungssuchenden Städtern eine bequeme Anreise zum Brunnen zu ermöglichen. Der Versand des hochgeschätzten Brunnenwassers in alle Welt, bis nach Übersee, steigerte sich von Jahr zu Jahr. Carnaps Mitpächter und Administrator vor Ort, der Kölner Weinhändler H. M. Hons, hatte das neugestaltete Brunnengelände ringsum mit einer Mauer einfriedigen und es überdies nachts bzw. außerhalb der Betriebszeiten verschließen lassen.

Damit war nun allerdings der Bevölkerung der freie Zugang zu der unter einer offenen Laube befindlichen Brunnenstube genommen. Zu diesen Maßnahmen sah sich Hons offenbar genötigt, da die Roisdorfer Sandkrämer, die von der Förderung und dem Verkauf des feinen weißen Quarzsandes lebten, ihr Geschäft dadurch ausweiteten, dass sie heimlich mit Mineralwasser gefüllte Krüge verkauften.

Brunnenmädchen 19. Jahrhundert

Es war dies wohl kein unbegründeter Verdacht: Der Versand des Mineralwassers, sollte später Ortsvorsteher Wilhelm Rech in seiner Chronik aus der Zeit seiner Jugend berichten, "wurde auf eine ganz einfache Art (bewerkstelligt). In Säcken (wurde es) von hier nach Bonn mit der Schiebekarre befördert. Die Leute, auch Sandkrämer genannt, die diesen weißen Sand nach Bonn fuhren, wenn diese ihre Schiebekarre mit einem Sack Sand beladen hatten, so banden sie eine starke Leine in der Mitte quer über den Sack, und in diese Leine hingen sie rund um den Sack herum voll Krüge mit Mineralwasser, dadurch wurde der Last freilich schwer, das machte aber nichts, denn zu der Zeit gab es noch keinen Tierschutz-Verein, da konnte man so viele Hunde vor die Schiebekarre spannen wie man wollte."

Roisdorfer Mineralwasserkrüge der Zeit um 1840

Hons gedachte also, mit dem nächtlichen Versperren der Quelle die unlautere Konkurrenz zu unterbinden. Bereits 1838 hatte die Brunnenverwaltung wegen dieser Unsitte die Bekanntmachung herausgegeben, dass das Mineralwasser ab sofort in brunneneigenen Krügen zu 4 Pfg. an Interessenten abgegeben werde. Ein Krug zu 8 Pfg. könne an Ort und Stelle gekauft werden. Der Korken koste 1 Pfg. Zum Zeichen der Echtheit und damit die Käufer vor Krügen gewarnt blieben, die zuweilen heimlich an Abflussgräben des Brunnens geschöpft würden, seien die Krüge mit dem Brunnensiegel versehen.

Im Jahre 1842 hatte er, da auch dies nichts fruchtete, die Waldorfer Gemeinde-Verwaltung zu einer mit Strafandrohung versehenen Bekanntmachung veranlasst, die er im "Bonner Wochen-Blatt" veröffentlichen ließ: "Es ist in dieser Woche von Seiten der hiesigen Brunnenverwaltung die Entdeckung gemacht, daß zu dem schon lange bestehenden Unfuge, Wasser am Abflußkrahnen zu füllen, solches zu Hause zu stopfen und in der Nachbarschaft zu veräußern, auch noch der Frevel hinzugekommen ist, daß sogar solche mit einem falschen Siegel und so zu einem großen Nachtheil des Rufes der Quelle verkauft werden. Da nun hierdurch das Publikum und die Quelle betrogen worden, und eine gesetzliche Einschreitung nötig wird: so machen wir den betreffenden Thäter auf den Art. 142 des Strafgesetzbuches aufmerksam, der die fragliche Fälschung mit schwerer Zuchthausstrafe belegt. Hons fügte dem hinzu: Gleichzeitig aber biete ich jedem eine Belohnung von fünf Thaler, der mir oder meinem Brunnen-Aufseher die noch unbekannten ferneren Fälscher so anzeigt, daß ich dieselben gerichtlich verfolgen kann."

Krugstempel mit fürstlichem Wappen

Die Roisdorfer, die sich mit dem Wasserverkauf einen bescheidenen Nebenverdienst sicherten, sahen in ihrem Tun indes kein Unrecht – schließlich war es ihr eigener Brunnen, aus dem sie schöpften. Seit eh und je hatten sie aus dem Brunnen das Wasser für ihren täglichen Bedarf geholt und sich hiervon auch nicht durch die kommerzielle Nutzung des Brunnens, die seit 1775 bestand, abhalten lassen.

Die Frage, die hinter dem Konflikt stand, war in der Tat die, wem der Roisdorfer Brunnen eigentlich gehöre: Dem Afterer Fürsten oder den Roisdorfer Einwohnern. Für den Fürsten von Salm-Reifferscheidt-Dyck, der den Brunnen an von Carnap und Hons zwecks Nutzung verpachtet hatte, war die Sachlage klar: Ein juristisches Gutachten aus dem Jahre 1787 hatte eindeutig bestätigt, dass der Brunnen auf seinem eigenen Grund lag, er also das freie Recht zu seiner Nutzung besaß. Nicht einmal der Landesherr durfte ihm dieses Recht streitig machen. In der Tat hatte z.B. sein Vorfahr, Graf Johann VI. von Salm, der Inhaber der Herrlichkeit Alfter, bereits in einer Urkunde von 1445 den „sure Born“ zu seinen Eigengütern gezählt. Das gräfliche Wappen hatte seit jeher die Quellfassung geziert, ebenso wie hölzerne Bütten, die man auf dem Grund des Brunnens gefunden hatte. Die Eigentumsrechte konnten auch dadurch nicht berührt worden sein, dass es seit der Zeit der französischen Herrschaft am Rhein keine Alfterer Herrlichkeit mehr gab. Schließlich war die Quelle fürstliches Privateigentum.

Zerstörung der Godesburg im Truchsessischen Krieg

Bei den Roisdorfern gingen indes andere Rechtsauffassungen um: Nach mündlicher Überlieferung war die Quelle ursprünglich Eigentum der Gemeinde, also Allmende der Roisdorfer Einwohner zu deren freier und gemeinschaftlicher Nutzung gewesen, bevor der Graf sie sich unrechtmäßig angeeignet hatte. Als Äquivalent soll es sich um ein Weg gehandelt haben, bestimmtes weiß man nicht, spekulierte später in seiner Chronik Ortsvorsteher Wilhelm Rech.

Rechs Onkel, der Alfterer Gemeinderat Christian Rech, eben jener, an den Ortsvorsteher Tönnessen 1844 seine Bitte um Unterstützung richtete, konnte noch Genaueres erzählen. Er sammelte und studierte nämlich die alten Weistümer, also die unter Eid geleisteten feierlichen Erklärungen der örtlichen Schöffen über die althergebrachten Rechtsgewohnheiten, über die Rechte der Herrschaft und die der Bauern der Herrlichkeit. Christian Rech zufolge waren die meisten der Weistümer von Alfter und Umgegend beim Brand des Alfterer Schlosses im Truchsessischen Krieg im Jahre 1583 vernichtet worden. Er war sich allerdings ganz sicher, dass unter diesen auch jenes gewesen war, aus dem hervorging, dass die Roisdorfer Mineralquelle im Gemeinschaftsbesitz der hofgesessenen Bauern gewesen und erst später vom Alfterer Grafen als Eigentum reklamiert worden war.

Roisdorf um 1840 nach Delkeskamp

Wie es mit nun wirklich mit dem Recht der Einwohner Roisdorfs oder der Alfterer Grafen/ Fürsten am Brunnen bestellt war, ist heute erst recht nicht mehr nachprüfbar. Entsprechende Gerüchte, so auch die Auffassung, die Quelle sei bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit im Besitz und Eigentum der Gemeinde gewesen und erst in der Franzosenzeit habe der Graf von ihr Besitz ergriffen, bezeichnet der Bornheimer Heimatforscher Norbert Zerlett als unsinnig.

Leider wissen wir auch nicht, wie die „Mineralwasserrevolte“ ausging, mit der Ortsvorsteher Tönnessen durch Wasserentnahme den Fortbestand des Rechts zum allgemeinen Gebrauch zu beweisen und durchzusetzen trachtete. Von polizeilichen Gewaltmaßnahmen, von eingeschlagenen Schädeln oder dergleichen wird jedenfalls nichts berichtet. Offenbar kam man schließlich doch zu einer friedlichen Einigung, vielleicht tat wirklich der Schabangel, also der von Hons verheißene Champagner, seine Wirkung.

Dörfliches Fest im 19. Jahrhundert

Übrigens ... dass man sein Recht auf freien Zugang zur Quelle am Mittag des 24. Juni, also des Johannistages, durchzusetzen trachtete, dürfte kaum Zufall gewesen sein. Immerhin erinnert dieser Termin an den vielerorts gepflegten - angeblich auf germanische Zeit zurück zu führenden - Brauch, zu Johannis bzw. an Mittsommer ein besonderes Brunnenfest zu feiern: Die Brunnen am Ort wurden gemeinschaftlich gesäubert und mit Blumen bekränzt, anschließend traf man sich zu Nachbarschaftsfesten. Das an diesen Tagen geschöpfte Wasser galt als besonders heilkräftig. Für die Quelle im Roisdorfer Oberdorf ist ein "Pötzeschuëre-Fest" bezeugt. Gleiches dürfte für den Roisdorfer Mineralbrunnen anzunehmen sein. Den segensreichen Brauch durch Absperren des Brunnens zu unterbinden, muss einem besonderen Affront gegen die Bevölkerung gleichgekommen sein.

Brunnenpark, Anfang 20. Jahrhundert

Wie dem auch sei - nach dem Johannistag des Jahrs 1844 blieb den Roisdorfern der Zutritt zur Brunnenstube jedenfalls weiterhin gestattet, nur unsaubere Gefäße wurden nicht geduldet. Gemeinderat Christian Rech etwa schärfte noch Jahrzehnte später seinen Enkelkindern ein, dass sie immer noch das Recht hätten, zum eigenen Bedarf den Buën, d.h. das Brunnenwasser, im Fass an der Originalquelle zu holen, und er duldete es nicht, dass sie an einen Seitenabfluss verwiesen wurden.

Bürgermeister und Brunnenpächter Gerhard von Carnap

Der Vorfall ist nicht zuletzt von daher von Interesse, als er zeigt, dass die hochfliegenden Kurortpläne des Gerhard von Carnap und seines Mitpächters Hons in den 1830er und 1840er Jahren nicht unbedingt den Beifall der ortsansässigen Bevölkerung fanden. Obwohl die Roisdorfer beim Brunnen sowie in den Restaurationen und Hotels Arbeit fanden, so war sicherlich nicht jeder damit einverstanden, dass die althergebrachte Lebensweise durch den Ausbau des Dorfes zum Kurort in Frage gestellt wurde.

Von Carnap war zudem ortsfremd, preußenfreundlich und protestantisch. Die Sympathien der katholischen Bevölkerung des Vorgebirges soll er sich nachhaltig dadurch verscherzt haben, dass er beim sog. Kölner Ereignis, also der Inhaftierung des der preußischen Regierung nicht willfährigen Kölner Erzbischofs Clemens August Droste zu Vischering im Jahre 1837, die Kutsche zur Verfügung stellte, mit der man den Erzbischof auf die Festung Minden verbrachte.

Die Pläne von Carnaps, nur ein kleiner Teil seiner weitgespannten wirtschaftlichen Aktivitäten, scheiterten schließlich, was allerdings nicht am Widerstand der Bevölkerung lag, sondern an mangelnder Rentabilität des Kurbetriebs. Auch ein späterer Versuch, Roisdorf zum Kurort zu machen, blieb letztlich erfolglos.

Brunnenfest 2012

Der Mineralbrunnen kam erst wirklich in Schwung, als man sich ab 1876 ganz auf die Abfüllung und den Versand des Wassers konzentrierte und dies in industrieller Weise betrieb. Dabei blieb der Zugang zum Brunnen den Roisdorfern stets grundsätzlich erlaubt und auch möglich. Zuletzt war der Roisdorfer Bevölkerung die Möglichkeit, sich Wasser am Brunnen zu holen, aber nur noch durch ein bescheidenes Wand-Brünnchen, das sich im Innenhof des Betriebsgeländes der „Artus-Mineralquellen“ befand, gegeben. Es stellte indes gewiss keine angemessene Einrichtung hierfür dar.

Um so positiver gilt es hervorzuheben, dass die heutige Brunnenverwaltung die Feste der Roisdorfer Vereine regelmäßig mit kostenlosen Mineralwasser- und Limonadenspenden unterstützt, dass sie zudem - neben den beliebten Sommerkonzerten im neugestalteten Brunnenpark - alle zwei Jahre überaus großzügig Brunnenfeste für jung und alt mit tollem Musikprogramm ausrichtet, letztere sogar stets in der Zeit der Sommersonnenwende, also zum traditionellen Termin der Pötzeschuëre-Feste", an die auf diese Weise - wenn auch vielleicht unbewusst - angeknüpft wird: All dies kann als Ausdruck der engen Verbundenheit von Mineralbrunnen und Roisdorfer Bevölkerung gewertet werden.

Kein Grund mehr also für irgendwelche Revolte!