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Kriegsende in Roisdorf 1945

Ende mit Schrecken und hoffungsvoller Neubeginn

So wie auf diesem Bild in Remagen oder oben im Banner in Köln, sah es auch in Roisdorf aus, als die amerikanischen Truppen am Vormittag des 7.3.1945 in den Ort einrückten.

Mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen am 7. März 1945 ging für Roisdorf der Zweite Weltkrieg zu Ende – oder auch nicht, denn dies war nicht das Ende von Sorge und Not, sollten im Dorf in den folgenden Tagen und Wochen doch mehr Zivilisten ums Leben kommen, als zuvor seit Kriegsbeginn, kämpften viele der Männer weiterhin an den zusammenbrechenden Fronten, waren sie vermisst oder in Kriegsgefangenschaft, sollten vor allen noch lange entbehrungsreiche Jahre liegen.

Viele hatten in diesen Tagen des Spätwinters in den Kellern ihrer Häuser oder in provisorischen, in den Vorgebirgshang getriebenen Bunkern Schutz gesucht, hatten – obwohl streng verboten – mit dem Ohr dicht am leise gedrehten „Volksempfänger“ die Meldungen der „Feindsender“ verfolgt, und waren so darüber informiert, dass die alliierten Truppen am 28. Februar die Erft überschritten hatten, die 1. US-Division sich anschickte, über das Vorgebirge nach Bonn vorzustoßen. Am 3. März wurde Heimerzheim bombardiert und weitgehend zerstört, kam es im Villewald bei Metternich zu Gefechten. Vereinzelten Widerstand von abgekämpften deutschen Truppenteilen und von Volkssturmangehörigen an von ihnen errichteten Panzersperren gab es am 4. März auch bei Trippelsdorf, Waldorf, Dersdorf und Brenig. Meist jedoch zeigte die Bevölkerung die weiße Fahne. Am 5. März wurden Walberberg und Rösberg besetzt, die weiteren Orte des Vorgebirges sollten von den Amerikanern an den beiden folgenden Tagen eingenommen werden.

Wohlfahrtshaus

Die Einheiten der deutschen Wehrmacht hatten sich bereits weitgehend auf die rechte Rheinseite zurückgezogen. Ein im Saal des Wohlfahtshauses in der Siegesstraße eingerichtetes Lebensmittellager der Wehrmacht wurde am 4. März von seiner Leitung der Bevölkerung geöffnet, so dass sich insbesondere die benachbart wohnenden Familien an Fleisch, Wurst und allerhand Konserven - lauter Waren, die sonst nicht erhältlich waren - bedienen konnten. Die deutsche Zivilverwaltung griff nicht mehr ordnend in die "Erstürmung" des Wohlfahrtshauses ein.

Pastor Matthias Ossenbrink

Matthias Ossenbrink, seit vier Jahren Pastor der katholischen Pfarrgemeinde, erlebte den Einmarsch der Amerikaner nicht nur passiv, sondern setzte sich, als wohl einzig verbliebene wirkliche Autorität im Dorf, für die Roisdorfer ein. Es galt für ihn, Blutvergießen und Zerstörungen bei der unvermeidlichen Einnahme zu verhindern. So ging er am Morgen des 7. März durch das Oberdorf und zu den dortigen Bunkern, um die vor dem Einmarsch sich ängstigenden Menschen zu beruhigen, sorgte er für offene Haustüren und aus den Fenstern hängende weiße Fahnen.

Dr. Bernhard Pleuser (geb. 29.9.1895) überlebte seinen mutigen Einsatz an der Seite von Pastor Ossenbrink nur um wenige Tage: Am 13. März erlag er im Dransdorfer Lazarettbunker einer Blinddarmentzündung.

Gegen 11.00 Uhr erwartete er beim Pfarrhaus, begleitet von dem dort im Keller untergekommenen Kölner Hut-Fabrikanten Dr. Bernhard Pleuser, die von Bornheim aus über das Siefenfeldchen, also die damalige Burgstraße, anrückenden Soldaten und übergab ihnen den Ort. Er hielt in der Folge die Ereignisse in Form täglicher Notizen sowie eines zusammenfassenden Berichts in der Pfarrchronik fest.

Der Bericht sei hier im Wortlaut wiedergegeben.

Kriegszerstörungen des Jahres 1943 im Roisdorfer Oberdorf

Die Ereignisse vor und nach dem Einmarsch der Amerikaner

Seit Beginn des Jahres mehrten sich die Angriffe der Tiefflieger. Dabei wurden am Bahnhof ein auswärtiger Soldat und ein auswärtiger Bahnbeamter getötet, ein Wohnhaus völlig zerstört und andere sehr stark beschädigt. Abteilungen der deutschen Wehrmacht, die in Roisdorf Quartier bezogen hatten, zogen sich allmählich über den Rhein zurück. In der Nacht vom 4. zum 5. März schoss die amerikanische Artillerie erstmals den Ort, weshalb die Bewohner sich in den Nächten und vielfach auch tagsüber in Kellern und bombensicheren Stollen, die sie in den Berg hineingetrieben hatte, aufhielten. Von jetzt an lag ständig amerikanisches Artelleriefeuer auf dem Ort und kreisten amerikanische Flugzeuge über dem Ort. Ziel der Angriffe waren die Bahnanlagen, Flakstellungen und die Landstraßen nach Bonn und Hersel, auf denen die deutschen Truppen zurückfluteten.

An verschiedenen Zugangsstraßen mussten die Männer des Roisdorfer Volkssturms Panzersperren errichten, die aber zum größten Teil nicht fertiggestellt wurden. Am Abend des 6. März waren die amerikanischen Truppen von Bornheim her bis zum Dorfrande von Roisdorf herangerückt. Im Pfarrhaus wurde eine große weiße Fahne zum Hissen am Kirchturm fertiggemacht. Der Befehl zum Antreten des Volkssturms wurde von den Männern desselben vereitelt und nicht durchgeführt. In der Nacht und am nächsten Morgen hörte man im Ort Maschinengewehrfeuer von einer deutschen Abteilung, die am Brenigerweg in Stellung gegangen war. Nach dem verursachten Geräusch zu urteilen, müssen in derselben Nacht amerikanische Panzerspähwagen von Brenig über die Höhe durch Roisdorf (Oberdorf-Burgstrasse) gefahren sein. Einzelne deutsche Soldaten, die auf Fahrrädern oder zu Fuss am Morgen des 7. März durch Roisdorf nach Bornheim sich begeben wollten, kamen zurück, weil sie an der Bahnüberführung her Maschinengewehrfeuer bekommen hatten.

Sog. "Heldengrab" für gefallene Soldaten in der Roisdorfer Pfarrkirche

Zwei kleine deutsche Wehrmachtsabteilungen, eine Maschinengewehrstellung unter Führung eines Leutnants und eine Panzerfaustabteilung unter Führung eines Unteroffiziers gingen bei der Kirche und dem Pfarrhaus in Stellung, zogen sich aber auf Zureden der Dorfbewohner hin durch die Brunnenstraße in Richtung Alfter zurück. Eine deutsche Artillerieabteilung lag zwischen Roisdorf und Alfter in Stellung und schoss in Richtung Breniger Weg. Durch zu kurz liegende Schüsse wurden im Oberdorf mehrere Häuser beschädigt. Auch diese Artillerie zog sich bald zurück. Amerikanische Artillerie schoss in Richtung Bahnhof und traf die Fabrikanlagen von Gammersbach und Pleuser, die bald in hellen Flammen standen. Auch einige Wohnhäuser in der Nachbarschaft gingen in Flammen auf und brannten aus. Gegen 10 Uhr wurden weiße Fahnen am Kirchturm, an der Panzersperre und bei Johann Rech (Wirtschaft gegenüber der Burgstrasse) ausgehangen. Als die Amerikaner, Infanterie, begleitet von Panzerwagen, gegen 11 Uhr von Bornheim über die Bonner- und die Burgstraße in dichtem künstlichem Nebel auf Roisdorf zurückten, war der Ort frei von deutschem Militär. Auf Veranlassung des Pfarrers hatten die Einwohner die Strassen geräumt und in ihren Häusern Türen und Fenster geöffnet. Der Pfarrer erwartete beim Pfarrhaus in der Burgstrasse die Amerikaner und meldete der Spitze, dass Roisdorf frei von deutschem Militär sei. Einzelne deutsche Soldaten begaben sich freiwillig in Gefangenschaft. Nach einem kurzen Aufenthalt gegenüber dem Pfarrhaus rückten die Amerikaner weiter auf Alfter zu. Die deutsche Maschinengewehrabteilung am Breniger Weg war inzwischen von amerikanischen Panzern niedergekämpft worden.

Nun vollzog sich Tag und Nacht der Durchmarsch der amerikanischen Truppen hauptsächlich über Burg- und Brunnenstrasse, weil die Strassenkreuzung Bonnerstrasse-Herselerstr. unter Beschuss der deutschen Flak, die von Hersel her schoss, lag. Durch diese Beschießung wurden vor allem Herselerstr. und Siegesstrasse in Mitleidenschaft gezogen.

Käthi Wexeler (31.7.1927 - 7.3.1945)

Es folgen Notizen für die einzelnen Tage:

7.3.: Nachmittags erfolgen Feuerüberfälle durch deutsche Artillerie vom Rhein her. Tötlich getroffen wird der französische Kriegsgefangene Jean Chanez. Die 17-jährige Kath. Wexeler wohnhaft Siegesstrasse, und Herr Pet. Vianden (Güterbahnhofstrasse) werden schwer verletzt.

Peter Vianden (8.10.1881 - 8.3.1945)

Erstere stirbt am Abend im Luftschutzkeller der Schule, letzterer nach Amputation eines Beines im Lazarettbunker in Dransdorf. Allen spendete der Pfarrer die hl. Ölung.

Elisabeth Müller, geb. Schmidt (10.11.1914 - 8.3.1945) in der Siegesstraße

8.3.: Bei einem deutschen Artillerieüberfall wird Frau Elis. Müller, geb. Schmidt, wohnhaft Siegesstr. 15, vor dem Wohlfahrtshause tötlich getroffen. Sie war auf dem Wege, ihrer soeben durch einen Granatsplitter verletzte Mutter eine Krankenschwester zu holen. Auch Frau Müller empfing die hl. Ölung. Die Kirche erhält Treffer der deutschen Artillerie, ebenso das Dachgeschoss des Pfarrhauses. Amerikanische Artillerie bezieht Stellung in den Gärten an der Siegesstrasse, der Herselerstrasse und der Pützweide.

9.3.: Jean Chanez (unter Teilnahme vieler französischer Kriegsgefangener), Frau Grohn (Evakuierte, die auf der Bonnerstrasse verunglückte) und Gottfried Schmitz (nach langer Krankheit gestorben) werden beigesetzt, und zwar wegen ständiger Gefahr des Artilleriebeschusses von der Kapelle des Friedhofs aus.

11.3.: Amerikanischer Major errichtet beim Ortsvorsteher Rech die Civilverwaltung für Roisdorf. Der Pfarrer wird zu den ersten Besprechungen hinzugezogen. Ausgang festgesetzt auf die Zeit von morgens 7 bis nachmittags 6 Uhr. Daher Beginn des Gottesdienstes 7.15 Uhr.

Totenzettel von Kurt Reuter (18.8.1937 - 12.3.1945)

12.3.: Die Opfer Wexeler und Müller werden beigesetzt. Die Panzersperren weggeräumt. Ein deutsches Flugzeug wirft eine schwere Bombe in den Garten neben dem Wohlfahrtshaus. Von einigen Knaben, die gerade dort spielten, kann der Neffe des Pastors, Matthias Ossenbrink, sich rechtzeitig retten, während der Knabe Kurt Reuter aus der Mittelstraße von der Bombe über die Häuser von Kuhl und Recht hinweggeschleudert und im Garten von Heinr. Recht tot aufgefunden wird. Auch er erhält die hl. Ölung.

Margarete Dreesen, geb. Jonas (22.3.1910 - 16.3.1945). Sie wurde durch Artilleriebeschuss in der Herseler Straße verwundet und starb im Dransdorfer Lazarettbunker. Die kleine Tochter, die sie auf dem Arm hielt, blieb unverletzt. Am selben Tag kam in gleicher Weise Petronellle Lensing, geb. Hardt (geb 1.11.1888) ums Leben, die mit Familie und Vieh aus Kelz bei Düren geflohen und bei einer Roisdorfer Familie einquartiert gewesen war.

Noch bis zum 27. März sollten die Bewohner des Vorgebirges deutschem Artilleriefeuer von der rechten Rheinseite ausgesetzt sein. Beschädigungen durch Granateneinschläge sind etwa am rückwärtigen Teil des damaligen „Margaretensaals“ an der Bonner Straße bis heute erkennbar. Erst nach der Eroberung auch des rechten Rheinufers durch die Amerikaner konnte man sich vor direkten Kriegseinwirkungen sicher fühlen. Die amerikanische Artillerie, die an der zeitweise von den Bewohnern geräumten Burgstraße sowie in den Gärten an der Siegesstraße, der Pützweide und des Herseler Wegs in Stellung gegangen war, um das gegenseitige Rheinufer unter Feuer zu halten, rückte wieder ab. Den amerikanischen folgten bald englische Besatzungstruppen.

Die gegenseitige Scheu war, wie hier in Dorsten, auch in Roisdorf bald verschwunden.

Mit den alliierten Besatzern hatte sich die Bevölkerung rasch arrangiert. Bereits am Nachmittag des 7. März traute man sich aus den Häusern, nahm man von den Soldaten verteilte Schokolade und Zigaretten an. Ein ziviles Leben, wenn auch unter notdürftigen Umständen, etablierte sich erstaunlich bald.

Auch bereits vor dem offiziellen Ende des Krieges mit der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 reorganisierte sich dabei auch das kirchliche Leben. So notierte Pastor Ossenbrink in der Pfarrchronik für den 13. April, dass man im Bornheimer Bürgermeisteramt die 1938 durch die Nazis entfernten Kreuze auffand und in die Roisdorfer Volksschule zurückbrachte. Am 18. April eröffnete im Wohlfahrtshaus erneut der katholische Kindergarten, der indes wenige Wochen später wegen zunächst ausbleibender Erlaubnis der amerikanischen Zivilverwaltung vorübergehend wieder geschlossen werden musste. Ein Höhepunkt war dann am 31. Mai das Fronleichnamsfest. Erstmals seit 1941 ging die Prozession durch die, wie Ossenbrink vermerkt, vorbildlich geschmückten Straßen Roisdorfs, die nun auch wieder mit Fähnchen versehen waren, was in der Zeit des Dritten Reiches verboten gewesen war. „Die Beteiligung an der Prozession, besonders seitens der Männer, ist sehr gut.“

Auch wenn der 7. März 1945, der Tag des Einmarsches der Amerikaner, für die Roisdorfer noch nicht das Ende aller mit dem Krieg verbundener Schrecken war, so bildete er doch für alle, die ihn bewusst miterlebten, einen tiefen und für immer unvergesslichen Einschnitt, die später so genannte „Stunde Null“, mit der eine neue Zeit und die begründete Hoffnung auf ein Leben ohne Krieg und Gewaltherrschaft begannen.