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Ein begabter Schnitzer aus dem Vorgebirge

Der Breniger Peter Josef Kuhl

Peter Josef Kuhl (?), 1922

Manche Talente blühen im Verborgenen.

So war es auch mit dem am 14.6.1848 in Brenig geborenen Peter Josef Kuhl, der die aus dem selben Dorf stammende Gertrud Kentenich heiratete, Sohn und Enkelkinder bekam, seinen Lebensunterhalt als Eisenbahnschaffner verdiente, dann nach dem Tod seiner Frau eine Reihe von Jahren in Roisdorf bei Verwandten lebte und schließlich in Köln-Deutz am 24.3.1930 verstarb.

Nichts Spektakuläres ist aus in diesem Leben überliefert und wohl kaum jemand würde sich heute seiner mehr erinnern, wenn Kuhl nicht als Ergebnis seiner Mußestunden einige kleine Dinge hinterlassen hätte, an denen sich noch heute entfernte Verwandte erfreuen: Peter Josef Kuhl war ein recht begabter Holzschnitzer.

Kruzifix

Mit Hilfe von Werkzeug, das er von der Bonner Eisenwarenhandlung Nonnen am Friedensplatz bezog, verfertigte er aus allerhand Holzstücken Figuren, deren schlichte Schönheit noch heute beeindruckt. Kruzifixe waren es wohl vor allem, die er für den Hausgebrauch der Familie herstellte – eines soll aber auch in der Roisdorfer Pfarrkirche Verwendung gefunden haben.

Drei von ihm gefertigte Kreuze sind bekannt. Glatt, fast streng und nur mit groben Kerben strukturiert erscheint jeweils der Körper des Gekreuzigten. Lediglich der Kopf ist feiner ausgearbeitet, aber auch hier werden die harten Schnitte des Werkzeugs nicht durch nachträgliches Beschleifen gemildert. Dramatik ist der Darstellung dabei fern, der Gesichtsausdruck des toten Christus ist ernst und ruhig. Sicherlich hat die Strenge des wenig bewegten und nicht korrekt proportionierten Körpers etwas Naives, fehlt künstlerischer Schliff, doch erscheint der von Kuhl entwickelte Stil als nicht weit entfernt von den progressiven Tendenzen der Bildhauerei seiner Zeit.

Hauskrippe aus der Zeit des Ersten Weltkriegs

Während des Ersten Weltkriegs fertigte Kuhl eine recht bemerkenswerte Hauskrippe an. Der Stall – ein viereckiger Kasten, pultdachartig geschlossen und mit einem geschwungenen Ziergiebel versehen, ist eine fleißige Laubsägearbeit – wohl kaum Kuhls Entwurf, sondern mittels gängiger Schablonen gestaltet. „Gloria in excelsis Deo“ schrieb Kuhl mit Bleistift auf einem in den Giebel eingefügten Band. Rubinrote Glasplatten sind innen vor die mit orientalischen Arkaden verzierten Seitenwände gestellt und geben dem von außen einfallenden Licht eine gewisse Feierlichkeit. Mit Goldbronze wurde der roh gechnitzte Stern von Bethlehem bemalt, der der Krippe aufgesteckt werden kann. Die Krippenfiguren kontrastieren in ihrer Schlichtheit mit der aufwändigen Verziertheit des Stalls. Kuhl hat sie aus gelblich-braunem, kaum behandelten Holz gefertigt – 22 Stück sind erhalten, doch gab es ursprünglich mehr. Sie sind lediglich bis zu 9 cm hoch und gleichen im Stil den Kruzifixen: Streng und einfach sind die Körper geformt, die Gewänder durch Kerben nur angedeutet. Kantig sind auch die Gesichter, das Haar ist wiederum durch parallele Kerben geordnet.

Hl. Familie und anbetende Engel

Das Jesuskind liegt nackt auf einem Futtertrog, der wohl darauf berechnet ist, mit Stroh ausgefüllt zu werden. Maria und Josef – letzterer durch kein besonderes Attribut von den Hirten oder hl. Dreikönigen zu unterscheiden – knien anbetend zu Seiten des Kindes. Zu der Figur des Ochsen gehörte sicherlich einst auch ein Esel, der jedoch nicht erhalten ist und dessen Rolle daher von dem größten der Schafe oder Hunde übernommen werden muss. Dies ist wenig problematisch, da es ohnehin schwierig auszumachen ist, ob es sich bei den Vierbeinern um die eine oder die andere Art handelt.

Hirten auf dem Felde

Besonders schön sind die beiden anbetenden Engel gelungen, die in ihrer ungekünstelten Einfachheit wie kleine Geschwister des berühmten schwebenden Engels von Ernst Barlach wirken. Die hl. Familie und die Hirten nehmen den Platz, den die Krippe bietet, vollständig ein. So müssen die Hirten weichen, wenn die hl. Dreikönige, Kamel und Elefanten mit führend, dem Kind ihre Geschenke darbieten sollen.. Von den Dreikönigen fehlt ebenfalls einer, doch ist dieser leicht durch einen der Hirten zu ersetzen.

Haus Wrede in Roisdorf

Das bescheidene, doch würdige Krippchen wird in der Roisdorfer Familie, in der es nun seit etwa 90 Jahren jeweils zu Weihnachten aufgestellt wird, hochgeschätzt. Es kann als etwas gelten, für das sich am Vorgebirge kaum Vergleichbares finden dürfte. Als es auf der Krippenausstellung 2004 der Heimatfreunde ausgestellt wurde, erinnerten die kleinen Krippenfiguren eine Besucherin indes in ihrer Machart spontan an zwei in ihrem Besitz befindliche holzgeschnitzte Figuren, mit Sockeln jeweils ca. 33 cm hohe Darstellungen eines Mannes und einer Frau in altertümlicher Tracht. Die Besitzerin hatte die Figuren bei ihren Ausscheiden aus dem Dienst bei der Familie von Wrede auf deren schlossartigem Anwesen im Roisdorfer Siefenfeldchen als Andenken erbeten und bewahrte sie nun seit langen Jahrzehnten bei sich zu Hause liebevoll gepflegt auf. Laut Clemens Freiherr von Wrede, in dessen Arbeitszimmer sich die Figuren einst befanden, waren diese vor langer Zeit von einem Breniger angefertigt worden, er selbst hatte sie, da wurmstichig geworden, restaurieren lassen.

Bauernpaar

In der Tat weisen die Figuren, aus dem gleichen Holz wie die Krippenfiguren geschnitzt, exakt die beschriebenen stilistischen Merkmale der Arbeiten von Peter Josef Kuhl aus Brenig auf, sind ihm damit eindeutig zuzuordnen. Dargestellt ist ein offenbar älteres Paar: Der Mann geht in etwas gebückter Haltung am Stock und die Frau ist durch Runzeln auf der Stirn als im fortgeschrittenen Alter befindlich gekennzeichnet. Die beiden wirken mit ihrer ungelenken, etwas steifen Haltung und den ungewöhnlichen Körperproportionen – Kopf und Hut des Mannes erscheinen z.B. übergroß – deutlich karikaturhaft.

Bemerkenswert ist die in allen Einzelheiten präzise wiedergegebene Kleidung. So trägt der Mann über seinen Kniebundhosen eine zugeknöpfte Weste und drüber einen offenen Rock. Mächtig erscheint der mit einer Spange auf der linken Seite gezierte Zweispitz auf seinem in der typischen Weise von Kuhl gestalteten, durch parallele Kerben strukturierten Haar. Samt dem Hut ist der Mann ebenso groß wie die Frau, die über ihrem langärmeligen Kleid ein doppelgeschlagenes Schultertuch trägt. Vorne an den Enden des Schultertuchs ist mit einer langen Nadel der Latz der Schürze befestigt, die vorne mit einer Schleife verschnürt ist. Den Kopf bedeckt eine flache, unter dem Kinn festgebundene Haube, ebenfalls mit einer Schlaufe geziert und nach vorne hin in Rüschen gefältelt ausgebildet. Sowohl der Mann als auch die Frau tragen Holzschuhe.

Interessant sind auch die dem Paar beigegebenen Gegenstände. So hat der Mann einen einfachen Stock in der rechten Hand, in der Linken jedoch eine verkorkte Flasche. Die Frau bietet mit ihrer Rechten den hierzu passenden Becher, während sie in der Linken zwei nicht eindeutig zu bestimmende Gegenstände hält, zum einen ein wurstähnliches Gebilde, bei dem es sich am ehesten um einen Strang Tabak handeln könnte, und zum anderen eine rechteckige kleine Tafel, wie man sie vielleicht benutzte, um den Strangtabak darauf zu schneiden. Alkohol und Tabak weisen darauf hin, dass der Schnitzer mit seiner Darstellung eine ironisierende Absicht verfolgte: Ein etwas hinterwäldlerisches und zudem moralisch fragwürdiges Paar wird uns hier mit einem Schuss Humor geboten.

Federzeichnung von Johann Christoph Kimpfel

Das Paar könnte die sonntägliche Bauerntracht repräsentieren, die im Vorgebirge bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts üblich war, dann aber als antiquiert aufgegeben wurde. Der Schnitzer wird sie aus seiner Jugend oder Kindheit gekannt haben. Dass diese Tracht, über die insgesamt wenig Informationen vorliegen, hier detailliert überliefert ist, verleiht den beiden Figuren einen hohen dokumentarischen Wert. Ob der Schnitzer hier konkretes altes Ehepaar zum Vorbild genommen hat - vielleicht waren seine Großeltern noch auf diese Weise gekleidet -, lässt sich natürlich nicht mehr ergründen, ebenso wenig, was er genau mit der Darstellung bezweckte, aus welchen Anlass heraus sie entstand und natürliche auch wann. Dass das ganze als Karikatur gedacht war, liegt indes nahe und macht den besonderen Reiz der Figuren aus.

Vorbilder für diese Darstellungsweise sind indes zu finden, etwa bei den Genrefiguren des schlesischen Malers und Graphikers Johann Christoph Kimpfel (1750-1805), der in ganz ähnlicher Weise karikierend mit seinen Zeitgenossen umgegangen ist.

Totenzettel von Peter Josef Kuhl

Peter Josef Kuhl scheint nicht nur figürlich gearbeitet, sondern auch ganz alltägliche Dinge mit seinen Schnitzereien verziert zu haben: Der Stern, der den erhaltenen hölzernen Deckel eines Sauerkrauttopfes ziert, gleicht so auffallend dem des von ihm gestalteten Weihnachtskrippchens. Peter Josef Kuhl war sicherlich kein bedeutender Künstler, aber doch ein begabter Dilettant, der uns eine Reihe liebenswürdiger und reizvoller Dinge hinterlassen hat.

Vielleicht trägt dieser Artikel dazu bei, dass mit der Zeit noch weitere seiner Werke auftauchen, die sich durchaus in den Häusern des Vorgebirges erhalten haben könnten.