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Die Sebastianuskapelle

Die erste Roisdorfer Kirche gibt immer noch manche Rätsel auf

Die ehemalige Kapelle St. Sebastian

Der Kirchturm der ehem. Pfarrkirche St. Sebastian

Mehrere hundert Meter trennen die Roisdorfer Pfarrkirche St. Sebastian in der Heilgersstraße, einen schlichten modernen Backsteinbau der 1970er Jahre, von ihrem Kirchturm, der in neuromanischen Formen erbauten Dreiturmanlage an der Ecke Siegesstraße/ Siefenfeldchen – ein oft bestauntes Kuriosum.

Die mächtige, in den 1890er Jahren errichtete Turmanlage ist allein von der 1980 abgebrochenen ersten Pfarrkirche St. Sebastian übrig geblieben. Aber auch diese Kirche, deren Schiff 1876 in den gottesdienstlichen Gebrauch genommen worden war, hatte bereits einen Vorgänger: Die auf einem unmittelbar benachbarten Grundstück gelegene, in den Jahren 1772/ 73 erbaute, noch nicht mit den Rechten einer Pfarrkirche ausgestattete Kapelle St. Sebastian. An sie erinnert dort seit Mai 2015 erinnert eine Informationstafel.

Ausschnitt aus der Rheinverlaufskarte von Delkeskamp

Detaillierte Abbildungen der Sebastianus-Kapelle gibt es nicht. Winzig und nur andeutungsweise ist sie inmitten des Dörfchens auf einer Rheinverlaufskarte der Mitte des 19. Jahrhunderts zu entdecken. Vor ihrem Abriss im Jahr 1884 scheint sich niemand die Mühe gemacht zu haben, sie durch eine Zeichnung oder gar eine Fotografie zu dokumentieren. Zu froh war man wohl, statt der kleinen und engen Kirche neu erbaute, prächtige und geräumige Kirche St. Sebastian, die künftige Pfarrkirche, umgezogen zu sein. Lage und architektonische Gestalt der „alten Kapelle“ sind so lediglich durch einen Lageplan, der den Grundriss wiedergibt, und eine Bauzeichnung der östlichen Fassade dokumentiert.

Der Standort der Sebastianuskapelle heute

Gemäß dem Lageplan war die nach Westen ausgerichtete Kapelle genau auf der Kreuzung von Brunnengasse, Siegesgasse, Siefengasse, Lehmtal (heute Ehrental) und Lindenberg gelegen. An dieser Stelle sollen einer späteren Überlieferung zufolge zuvor die Roisdorfer Dorflinde, die dem Lindenberg den Namen gegeben habe, und ein Wegekreuz gestanden haben.

Grundriss der Sebastanuskapelle

Nun kann die Nachricht von der Dorflinde nicht stimmen, da diese seit dem 14. Jahrhundert für den Bereich der Bonner Straße bezeugt ist und wohl an der Einmündung der Siegesstraße in die Bonner Straße gestanden haben dürfte. Die genannte Kreuzung der verschiedenen Wege bzw. Straßen am Lindenberg scheint jedoch eine Art Dorfplatz gebildet zu haben, wo sich die Bevölkerung zu allerhand Festen und Feiern und auch, was in diesem Zusammenhang wichtig ist, zum gemeinsamen Beten des Rosenkranzes versammelte.

Fassade der Sebastianuskapelle

Der überlieferte Grundriss der Kapelle lässt erkennen, dass es sich bei ihr um eine im Westen mit dreiseitigem Chor versehene Saalkirche von ca. 7,5 m Breite und 15,5 m Länge handelte. Offenbar verfügte sie über eine oberhalb des östlichen Eingangsportals gelegene (Orgel-)Empore. Gemäß der Aufrisszeichnung der Fassade war sie mit einem Glockentürmchen in Form einer sechseckigen welschen Haube auf dem First des Satteldachs bekrönt. Auch wenn sie nur den kirchenrechtlichen Status einer Kapelle hatte, so kann man sie doch durchaus als Kleinkirche bezeichnen.

Haus Ecke Brunnenstraße/ Schussgasse

Eine Vorstellung von ihrer Größe könnte das an der Ecke Schussgasse/ Brunnenstraße stehende, ehemals als Wohnung des Brunnenkutschers dienende und entsprechend in seinen Fensterformen aufwendiger als ein Bauernhaus gestaltete Fachwerkhaus vermitteln. Dieses, im Jahre 2007 unbegreiflicherweise abgebrochene Haus, soll gemäß der mündlich überlieferten Tradition seiner ehemaligen Bewohner mit dem Dachstuhl der abgebrochenen Kapelle versehen worden sein.

Kapelle St. Mariä Vermählung zu Oedekoven (Foto: Willi G. Richter, Alfter)

Vergleichbare Kleinkirchen sind in anderen Orten unserer Heimat noch heute zu finden. So ähnelt die Sebastianuskapelle etwa der 1756/57 erbauten, etwas kleineren Kapelle St. Mariä Vermählung zu Oedekoven. Dass ihre Gestalt damit für die Erbauungszeit 1772/73 seltsam altertümlich und barock anmutet, könnte sich daraus erklären, dass bereits 1754 die Kölner Hofratswitwe Hiligers gen. Fabri Geldmittel für den Bau einer Roisdorfer Kapelle bereit gestellt und Jahrzehnte lang dieses Vorhaben betrieben hatte. Der Familie Fabri gehörte damals das burgartigen Anwesen auf dem oberhalb der Kapelle gelegenen Metternichsberg, Vorgängerbau des heutigen Hauses Wittgenstein. Wegen diverser Schwierigkeiten, insbesondere aber wohl des Widerstands des für Roisdorf zuständigen Alfterer Ortspfarrers, der mit dem Kapellenbau eine Verselbständigung Roisdorfs als eigene Pfarrgemeinde befürchtete, zögerte sich der Baubeginn bis zum Jahr 1772 hinaus.

Pfarrkirche St. Matthäus, Alfter

Von diesen Widerständen kündet deutlich die Urkunde, die Pfarrer Johann Georg Lucas von Alfter aus Anlass der mit einem feierlichen Hochamt verbundenen Einsegnung am 12. März 1773 ausstellte, und in der er insbesondere die den Gottesdienst in der Kapelle einschränkenden, einen Eingriff in die pfarrlichen Rechte der Alfterer Kirche abwehrenden Verfügungen hervorhebt. Sie blieb als Abschrift erhalten:

„Anno 1772 ist den 23. Juli zu der in Roisdorf stehenden Capelle von mir, Endsbenannten Orts-Pastorn, in Gegenwart des Herrschaftlichen Herrn Kellners Franciscus Bendermacher aus gnädigst vom Hochwürdigen Vicariat auf Nahmens der Gemeinde, eigenhändig aber geschriebener und aufgesetzter Supplica ertheilter Erlaubnus, der erste stein gelegt worden: die clausulen und Exceptionen aber der Supplica waren, dass selbe Capell, um den h. Rosenkranz bequemer gemeinschaftlich zu beten solle angesehen, dass keine Stiftung, es seyen Anniversaria, oder Sonn- und feiertägliche Frühmessen, oder Aufopferungen von Wachslichtern, welche N. B. zur Pfarrkirch eigentlich gehören, jemahlen mögen, können oder sollen verwendet werden, oder auch vorbracht werden Copulationen, weder Aussegnungen, weder Tauffungen – als nur im gefährlichsten Falle; was das letzte betrifft, weilen das Taufen sodann schicklicher darin, als in einem Privathause –, geschehen dürfften. Diese Capell hat ferners ihre Einsegnung erhalten nach der vom hochwürdigsten Herrn Carl Aloys Königseck, Grafen Aulendorff, dermahligen Weihbischof, ertheilter Erlaubnus, so unterm 24. December 1772 datirt, und nur allein für die Werktag darin zu celebriren erlaubet, welche mir auf dem Metternichberg den 9. März präsentirt, und diesemnach wieder nacher Cöllen in der Wittib Hiligers, genannt Fabri, Behausung mitgenohmen worden. Die obgemelte benediction waren mir, Endsbenannten Ortspastoren, comitirt und mit Haltung eines hohen Amts samt der unter dem Themati: Vocabitur domus Dei, Gen. 28, in Assistenz DD. Vicarii von Gielsdorf, J. Daniel Kouhl, und Herrn Henrici Tils, Vicarii dahier zu Alfter, wie auch Herrn Primissarii von Stieldorf und dessen geistl. Hrn. Vettern nach der iuxta Agendam vorgesetzter Segnung expediirt worden. So geschehen den 12. Merz 1773.

J.G. Lucas, p. t. Pastor in Alfter, man. pr.“

Altargemälde "Heimsuchung" von Schmitz 1773

Da man 1884 beim Abriss der Kapelle Teile von deren Ausstattung in die neuerbaute Kirche übertrug und diese dort weitgehend erhalten blieben, kennen wir sie recht gut. Mancher Roisdorfer mag sich noch an die recht roh gezimmerten, engen Bänke in den Seitenschiffen der alten Pfarrkirche erinnern. Es waren dies die Bänke der alten Kapelle, die leider nach dem Ausräumen der Pfarrkirche 1969 vernichtet wurden. Bis heute vorhanden, wenn auch in Privatbesitz befindlich und daher den Roisdorfern wenig bekannt, ist das schöne Ölgemälde, das einst in den Aufbau des Hauptaltars der Kapelle eingelassen war. Es stellt die sog. Heimsuchung, also den Besuch der Jungfrau Maria bei ihren Verwandten Elisabet und Zacharias, den künftigen Eltern Johannes' des Täufers, dar und wurde gemäß seiner Signatur 1773, also im Jahr der Einweihung der Kapelle, von einem Kölner Maler namens Schmitz geschaffen.

Statuen des hl. Sebastian und des hl. Rochus

Ebenfalls erhalten geblieben und heute an der nördlichen Wand der Pfarrkirche aufgestellt sind die beiden hölzernen Statuen des hl. Sebastian und des hl. Rochus, die wohl ebenfalls eigens für die Kapelle angefertigt wurden. Dem an einem Baumstumpf gebundenen und von Pfeilen durchbohrten hl. Sebastian ist – eine seltene Darstellung – ein ihm in seinem Leiden beistehender kleiner Engel an die Seite gegeben. Der hl. Rochus ist mit dem Hund dargestellt, der – gemäß der Legende – dem an der Pest erkrankten Pilger Brot brachte und ihn so am Leben erhielt. Zu der Gruppe gehörte bis in die 1950er Jahre auch eine heute verlorene Figur der hl. Margaretha.

Muttergottesstatue

Das sicherlich kostbarste Stück der qualitätsvollen Ausstattung der Kapelle bildete indes die ebenfalls in der heutigen Pfarrkirche aufgestellte Marienstatue: Die jugendlich-schlanke und reich gewandete Muttergottes trägt auf ihrem rechten Arm den Jesusknaben. Dieser ist als Weltenherrscher durch die mit dem Kreuz bekrönte (Welt-)Kugel, die er in seiner Hand hält, ausgewiesen – insgesamt ein Meisterwerk aus der Zeit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, wohl in Köln, auf jeden Fall im rheinischen Raum, geschaffen. Ursprünglich dürfte die Muttergottes wohl keine Einzelfigur, sondern Teil eines spätgotischen Altaraufbaus gewesen sein.

zinnerne Messkännchen aus der Sebastianuskapelle

Bei einer Roisdorfer Familie sind zwei zinnerne Messkännchen für Wein und Wasser samt einem ovalen Tablett erhalten, die gemäß mündlicher Überlieferung aus der Sebastianuskapelle stammen. Etwa 11 cm hoch sind die beiden Kännchen mit becherartigem Körper auf Rundfuß mit quadratischem Sockel. Die gewölbten Klappdeckel krönt ein Kegelknauf. Geschmückt sind sie mit klassizistischen Palmetten, was ebenso wie das Lorbeerdekor des Tablettrandes auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts als Entstehungszeit verweist. Die Familientradition könnte somit zutreffen, die in ihrer Form würdigen, in ihrem Material bescheidenen Kännchen tatsächlich zur Ausstattung des Dorfkirchleins gehört haben.

Glocke der Sebastianuskapelle

Die Glocke der Sebastianus-Kapelle wurde erst im Jahre 1998 im Malteser-Krankenhaus zu Rheinbach wiederentdeckt. Infolge unsachgemäßen „Bammschlagens“ war sie in den 1840er Jahren zerborsten: Halbwüchsige Burschen hatten, wie berichtet wird, so lange mit Steinen auf die Glocke eingeschlagen, bis diese nur noch einen „geborstenen Kesselton“ von sich gab, worauf die erschrockenen Beierleute Reißaus nahmen. Nachdem die 1849 durch Umguss erneuerte Glocke 1896 infolge des Baus des neuen Glockenturms der Pfarrkirche überflüssig geworden war, schenkte sie Johann Adam Rüppel – er hatte den Plan für den Turm geliefert – dem Kloster der „Armen Dienstmägde Jesu Christi“ in Rheinbach, wo der Kreisbaumeister ebenfalls wirkte. Nachdem sie über lange Jahrzehnte ungenutzt in einem Glockentürmchen hing, wurde sie nun wieder zugänglich gemacht und ruft sie heute im Seniorenheim der Malteser erneut zum Gebet und zur Hl. Messe.

Altarplatte aus der Sebastianuskapelle

In der 1773 geweihten Kapelle befand sich eine auch kleine quadratische, steinerne Altarplatte, welche die Stifterinschrift eines „Hermanus Butgen Anno 1697“ trug. Auf ihrer Oberseite sind fünf Weihekreuze eingeritzt. Die Platte wurde später in die neuerbaute benachbarte Pfarrkirche übertragen und diente dort zuletzt am Marienaltar als Standplatte für die spätgotische Muttergottesstatue. Heute wird die Platte als Kredenz in der Kapelle des Seniorenhauses St. Josef verwendet.

Haus Wittgenstein und Kapelle (?) auf dem Metternichsberg

Diese Platte gibt nun Rätsel auf, ist doch der Stifter Hermann Butgen nicht bekannt und weist sie mit ihrer Datierung 1697 auf einen wie auch immer gearteten Vorgänger der 1773 geweihten Kapelle hin, auch wenn dieser nicht an der selben Stelle gestanden haben muss.
Um was für eine Kapelle, die doch so groß gewesen sein muss, dass man in ihr die Hl Messe feiern konnte, mag es sich hierbei gehandelt haben? Etwa um das kapellenartige Nebengebäude der Burganlage auf dem Metternichsbergs, die auf einer Darstellung des zum Haus Wittgenstein umgebauten Anwesens aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zu sehen ist und die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgerissen wurde?

Sebastianus-Darstellung der Urkunde des Kath. Vereins

Auch das Sebastianus-Patrozinium der Kapelle – es wird in der Einsegnungsurkunde seltsamerweise nicht genannt – erscheint rätselhaft: Der hl. Sebastian, ein stadtrömischer frühchristlicher Märtyrer, galt als Schutzheiliger in Zeiten der Pest seit dem Jahre 680, als in Rom eine Epidemie abgeflaut war, nachdem man mit seinen Reliquien eine Prozession unternommen hatte. Gleiches galt für den hl. Rochus, der in der Kapelle ebenfalls mit einer Statue geehrt wurde. Sebastian und Roches treten als Nothelfer in Mittelalter und früher Neuzeit gemeinsam als Pest-Nothelfer auf, und zwar auch in unserer näheren Nachbarschaft. So ist Sebastian Nebenpatron in Brenig und in Sechtem, ist das Rochuskreuz heute noch an der Landstraße zwischen Merten und Walberberg zu sehen. Von daher scheint das Roisdorfer Sebastianus-Patronzinium zunächst nichts ungewöhnliches zu sein. Bei der Einweihung der Kapelle im Jahre 1773 aber lag die letzte Pestepidemie, die 1666 das Rheinland heimgesucht hatte, bereits mehr als ein Jahrhundert zurück und die Seuche konnte somit als ausgerottet gelten. Es bestand von daher keine Veranlassung, den hl. Sebastian als Patron für die neuerbauten Kapelle zu wählen - es sei denn, es gab tatsächliche eine andere Sebastianus-Tradition in Roisdorf, an die man anknüpfen konnte.

altes Heiligenhäuschen an der Ecke Bonner Straße/ Widdiger Weg Anfang 1930er Jahre

Nun rief man den hl. Sebastian und den hl. Rochus nicht nur in Pestnöten an, sondern unterstellte man ihrem Schutz und ihrer Fürbitte auch die Siechenhäuser, die man einrichtete, damit in ihnen - wegen der Ansteckungsgefahr wohlsepariert von den Dörfern und Städten - die Leprosen, die von der Krankheit des Aussatzes befallenen Menschen, ihr Leben fristen konnten. Es lag auch dabei nahe, sich an die hll. Sebastian und Rochus als Nothelfer und Schutzpatrone zu wenden, glichen deren Marterwunden bzw. Pestbeulen doch den Wunden des Aussatzes.

Ein solches Siechenhaus gab es auch in Roisdorf: Das an der Einmündung der Siegesstraße auf die Bonner Straße gelegene „Sieches“, an das der Name „Siegesstraße“ – als „Sieghausgasse“ 1689 belegt – bis heute erinnert. Es dürfte, wie auch die anderen Leprosenhäuser unserer Heimat, im Laufe des 18. Jahrhundert aufgelassen worden sein. Als sein letzter Überrest kann die Kapelle der „Mutter Gottes vom Guten Rat“ am heutigen Friedhof, Ecke Bonner Straße/ Widdiger Weg, gelten, das auch „Heiligenhäuschen“ oder „Maria-Hilf-Kapellchen“ genannt wird. Der aus Bruchstein errichtete Bau vom Beginn der 1930er Jahre ersetzte einen älteren Backsteinbau, der wohl aus dem frühen 19. Jahrhundert stammte und seinerseits an die Stelle eines noch älteren Kapellchens gesetzt worden war..

Heiligenhäuschen am Roisdorfer Friedhof

Als mögliche Erklärung der Wahl des Sebastianus-Patroziniums der Kapelle von 1772/73 bietet sich daher an, dass man den ursprünglich im Heiligenhäuschen des Siechenhauses verehrten hl. Sebastian zum Patron der ersten Roisdorfer Kapelle bestimmte und mit ihm dort fortan auch den hl. Rochus verehrte, während man das Heiligenhäuschen, das seine Funktion als Kapelle des Leprosenhauses verloren hatte, nun der „Mutter Gottes vom Guten Rat“ weihte. Aus dem Heiligenhäuschen könnte dann auch die kleine Altarplatte des Hermann Butgen von 1697 übernommen worden sein.

Diese Erklärung ist freilich nur eine Hypothese, die vielleicht eines Tages durch neu entdeckte Schriftquellen bestätigt oder widerlegt werden kann.

Kirche und Pastorat, 1950er Jahre

Etwas mehr als ein Jahrhundert lang diente die Sebastianus-Kapelle am Fuß des Linden- und des Metternichsbergs den Roisdorfern als Gotteshaus. Vorbeter des Rosenkranzes in der Kapelle war lange Jahre der "blinde Jannes", der ansonsten im Sterffelshof auf dem Donnerstein wohnte und dort einfache Arbeiten verrichtete. Die Hl. Messe durfte zunächst nur an Werktagen in der Kapelle gelesen werden - etwa die zweimal in der Woche abgehaltenen Schulmessen. Es wurde auch dann keine Ausnahme zugelassen, wenn der 21. Januar, also der Festtag des Patrons, auf einen Sonntag fiel: Das Fest musste dann am Montag begangen werden.

Nachdem noch 1846 das von Pfarrer Meuser an das Kölner Generalvikariat gerichtete Gesuch, auch Sonn- und Feiertags eine Hl. Messe zuzulassen, abgelehnt worden war, erfolgte die Genehmigung hierzu zwei Jahre später. Als Zelebranten sind neben dem Alfterer Pastor und seinem Vikar Priester aus nah und fern bezeugt, die wohl z.T. als Kurgäste in Roisdorf geweilt haben, vor allem aber geistliche Herren aus Bonn, etwa die Professoren der Theologischen Fakultät Knott und Reusch.

Angesichts des raschen Anwachsens der Roisdorfer Bevölkerung ab den 1830er Jahren - bedingt durch den Aufschwung des Mineralbrunnens und die spätere Industrieansiedlung an der neuen Bahnstation wurde die Kapelle rasch als zu klein, man strebte daher seitens der Bevölkerung den Bau einer größeren, wenn möglich mit eigenen Pfarrechten ausgestatteten Kirche an. Die Befürchtungen des Alfterer Pastors Lucas, dass die Errichtung der Kapelle zur Abspaltung der Roisdorfer von seiner Pfarrgemeinde führen würden, erwiesen sich somit schließlich als berechtigt, auch wenn erst 1876 mit der Fertigstellung des zur Pfarrkirche geeigneten Nachfolgerbaus iunweit der Kapelle die wichtigste Voraussetzung für die Erhebung Roisdorfs zur selbständigen Pfarrgemeinde (1891) erfüllt werden sollte.

Statuen in Pfarrkirche St. Sebastian Roisdorf

Der Platz, auf dem die 1884 abgebrochene Sebastianuskapelle gestanden hatte, wurde der Zivilgemeinde im Tausch gegen die benachbarte Parzelle an der Ecke Siegesgasse/ Siefenfeldchen überlassen, auf der zuvor eine baufällig gewordene Gastwirtschaft mit Tanzsaal und Kegelbahn gestanden hatte. Hier errichtete man das 1888 das neue (1976 seinerseits abgebrochene) Pfarrhaus.

An der Straßenkreuzung, auf der die alte Sebastianus-Kapelle gestanden hat, erinnert an sie seit Mai 2015 eine Informationstafel. In der heutigen Roisdorfer Pfarrkirche St. Sebastian sind zudem mit den Statuen der Muttergottes, des hl. Sebastian und des hl. Rochus wesentliche Teile ihrer kostbaren Ausstattung zu sehen, welche das Andenken an die erste Roisdorfer Kirche wach halten.

Sebastianus-Statue vom Hochaltar der ersten Pfarrkirche

Zu Ehren des Pfarrpatrons komponierte und textete man im 20. Jahrhundert ein eigenes Sebastianuslied, das bei entsprechenden feierlichen Anlässen, also bei den Hochämtern zur Großkirmes und zum Patronatsfest, der sog. Kleinkirmes, also am Sonntag nach dem Tag des hl. Sebastian am 21. Januar, von den Roisdorfer Pfarrangehörigen voller Andacht und Verehrung gesungen wird:

Text: Sebastian Pfriem/ Ernst Gierlich Melodie: Otto Henckel